China - Liebe zur Erde

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China






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In China halte ich mich 2012 beruflich auf und entdecke in Peking so eine neue Art zu reisen: War ich bislang alleine oder - in den letzten Jahren - mit meinem Partner unterwegs, um mich auf mich/uns gestellt durch zu schlagen, bin ich zudem nun immer wieder in die herzliche Hilfe und Gastfreundschaft der Menschen gestellt, die mit mir zu tun haben.


China - eine uralte Kultur, eine immense Masse überwiegend armer Landbevölkerung, von denen viele in die Produktionshallen der Industrie gestolpert sind. Jahrzehntelange Umbrüche und Neuorganisierungen. Ein Land, das sich in die Moderne katapultiert und gerade vom Billigproduzenten für die reichen Nationen gerade seine eigene Kreativität und Stärke entdeckt und zum größten Geldgeber der Welt geworden ist.

Wäre nicht die Anfrage gekommen, hier zu arbeiten, wäre China sicher nicht so schnell auf meinem Reisezettel gestanden und mein Interesse hätte mehr der grandiosen und vielfältigen Landschaft gegolten als den Menschen und ihrer Arbeit. So aber stand die Aufgabe vor mir, das Land und seine Menschen so weit zu verstehen, daß ich hier würde arbeiten können. Beschenkt werde ich nun mit völlig unerwarteten Einsichten in ein Land, die Art und Kultur seiner Menschen, die so ganz anders sind als das Bild, das man sonst aus den westlichen Medien so gewinnen kann.

Die Eindrücke sind so vielfältig, daß eine grundlegende Beschreibung nur scheibchenweise erstellt werden kann. Dieses aber kann ich sagen: Chinas Großstädte sind moderner, in weiten Teilen sauberer und in menschlicher Hinsicht fast lebenswerter als Deutschland - und das will was heißen.




Individualreisen in China

1. Verständigung
Nun war ich einen Teil der Zeit mit meinem Partner und einen Teil alleine unterwegs. Keiner von uns spricht mehr chinesisch als Ni hao (richtig betont - das eine Wort sollte man richtig lernen, es bedeutet "guten Tag" bzw wörtlich "du gut?") was unmittelbar das Eis bricht: die Leute merken, dass man schon eine Weile im Land ist und schauen einen neugierig an. Damit sind wir auch in den letzten Ecken herum gekrochen, wo wir fast 2 Wochen keine anderen Westler mehr gesehen haben. Elementar zum Reisen sind Reiseführer wie der Lonely Planet, der die wichtigsten Worte und Ortsnamen mit chinesischer Schrift  verzeichnet: die meisten Chinesen können lesen und verstehen so unmittelbar, was oder wo man hin will. Zudem darf man sich nicht scheuen, mit Händen und Füssen zu sprechen. Wer mit diesen Kommunikationsformen Probleme hat, sollte sich ein anderes Land zum Reisen aussuchen oder in organisierten Tourgruppen unterwegs sein.


Selber chinesisch zu sprechen versuchen kann man abhaken, wenn man nicht Musiker mit starker Sprachbegabung ist oder richtigen Unterricht hatte. Die Bedeutung des Wortes ist im Chinesischen von der Betonung abhängig - Sprachmelodie genannt - und die hört nur ein Eingeweihter. Sprechen ist ganz out. Ansonsten wäre Chinesisch wohl nicht so schwer zu lernen.


2. Reiseorganisation
Wer plant, viel unterwegs zu sein und stundenlanges Suchen und Schlangestehen vermeiden will, dem sei empfohlen, das zu tun, was die Chinesische Botschaft von Reisenden beim Visaantrag eh verlangt: Hotels schon über Internet im Voraus buchen. Die Preise sind oft noch günstiger als die Discountpreise, die man vor Ort oft aushandeln kann, wenn kein Feiertag ansteht. Fahrkartenkäufe für Züge überlässt man am besten den Hotels, wenn sie den Service anbieten: in den Aussenbezirken des Reiches kann es auch mal vorkommen, dass man problemlos ohne viel Warten und Gedränge an so ein begehrtes Stück kommt: die Fahrkarten sind meist schon Tage im Voraus ausverkauft, das erfordert also eine gewisse Logistik. Busse sind flexibler und auch Tickets für  Langstreckenbusse sind problemlos noch einen Tag vor Abfahrt zu bekommen. Ansonsten kann sich der Erwerb zu einem Drama entwickeln, der eine Stunde Schlangestehen in dichtestem Lärm und Gedränge (Gu
iyang), grundlegende Ablehnung des Personals wegen nicht-verstehen-wollen (Dunhuang) oder einen Auflauf des Personals wegen nicht mehr vorhandener Karten zur Folge hat (ausverkauft, Bijie). Wer standhaft stehen bleibt und sich nicht abwimmeln lässt, kann auf Hilfe der Chinesen hoffen, die gleichfalls in der Schlange stehen, auch irgendwann drankommen wollen und generell sehr sehr freundlich und hilfsbereit sind. So lassen sich oft in einem ausverkauften Zug noch Steh- oder Sitzplätze ergattern oder das Personal versteht dann doch irgendwann, was man will. Zudem verschafft man damit den Menschen das einmalige Vergnügen, eine Langnase dabei zu beobachten, wie sie etwas braucht, keiner sie versteht und am Ende doch alles klappt: Erzählstoff für manchen langweiligen Abend!

3. Sicherheit und Frau alleine
Eine Frau alleine erregt nachts definitiv mehr Aufmerksamkeit als eine Frau in Begleitung. Nicht immer ist ersichtlich, ob es sich dabei um die allgemeine Neugierde einer Ausländerin gegenüber handelt, um besorgte Hilfsbereitschaft oder die erhoffte Chance eines Langfingers: auf einem abendlichen Heimweg vom Wangfuging in Peking, wo ich auch Initial 2012 beklaut worden war, waren schon sehr viele seltsame Gestalten um mich rum, meist einzelne Männer komisch mit einer Einkaufstüte schlendernd, aber auch Pärchen, die mal vor und mal hinter mir liefen und in meiner Nähe zu bleiben suchten. Mit meinem Partner zusammen gab es keine ähnlichen Erlebnisse.


Diebe, meist Profis, sind vor allem in Peking unterwegs, eventuell auch an den großen Touristenattraktionen in den Städten (Besonders das Gedränge in Metro und Bussen ist für sie verlockend). Hat man diese verlassen, hat man im ganzen Land kein Problem mehr - die Menschen sind überwiegend ehrlich und hilfsbereit. Eine Taxifahrerin, die auf uns warten musste, gab mir meine mühsam ersteigerte Canon Powershot zurück (siehe Blogeintrag zum Kamerakauf), die im Wagen verblieben war, wo ich sie nicht vermutet hatte.
"Normale" Chinesen sprechen einen in der Regel nicht von sich aus an. Dieses Wissen kann helfen, um unangenehme und teure Überraschungen zu vermeiden. Es gibt 3 mir bekannte Ausnahmen: 1. sie sehen, daß man Hilfe braucht. 2. Sie hören eine Unterhaltung mit, waren selbst mal in Deutschland und möchten dann ihrer sozialen Umgebung zeigen, daß sie Deutsch verstehen und sprechen. Das findet man viel an Touristenorten, wo diese Menschen mit ihren Familien unterwegs sind. 3. Betrüger - meist freundliche junge Menschen - die alle Varianten des Teehaustricks drauf haben, ob es jetzt ins Teehaus gehen soll, in eine Kunstausstellung oder woanders hin. Kennzeichen: sie sprechen ganz passabel englisch. Die Bandbreite reicht von: "Könnten Sie uns mal fotografieren?" (berühmt in Shanghai) über eine scheinbar alltägliche Plauderei an einem Sightseeing-Ort, die im Teehaus endet, bis hin zur offenen Ansprache und Anmache. Damit werden systematisch nur Ausländer angesprochen - mit Chinesen versuchen es diese meist jungen Leute erst gar nicht. Ein weiteres Kennzeichen: wer sich in Shanghai nicht auf die Fotografier-Masche einlässt, wird schon auch ma
l beschimpft - Das Grüppchen zieht dann weiter, ohne sich fotografiert zu haben - für normale Chinesen undenkbar!

4. Restriktionen? Armut?
Es wird immer vermutet, China schränke das selbstorganisierte Reisen im Land ein, damit man die Armut der Landbevölkerung nicht sieht. Ich persönlich glaube, das ist Unsinn. Die Regierung kauft (angeblich) den Bauern zu einem festgesetzten Preis ihre Erzeugnisse ab - so ist es dann für den Endverbraucher zwar teuer, aber die Bauern können halbwegs davon leben, auch wenn sie Landwirtschaft wie vor hunderten von Jahren betreiben (wenn man vom Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden mal absieht). Die Häuser auch auf dem Land wirken neu und solide - nur gelegentlich findet man ganz alte Wohngebiete, von Bruchbuden oder Slums wie in Indien ist das alles Lichtjahre entfernt. Wir haben in Shanghai an den Touristenpunkten und Einkaufsmalls am Peoples Square Dutzende von meist wohlgenährten und aggressiven Bettlern gesehen, im gesamten übrigen Land in 3 Monaten dafür nur 2 - und die waren nicht in Touristenzentren, sondern in einer abgelegenen Provinzstadt. Was sollte die Regierung hier verbergen wollen - daß die Bettler in Shanghai sich offensichtlich nur in Absprache (bzw Kooperation) mit den kontrollierenden Beamten so bewegen und benehmen können? Das versteht eh nur der, der das Land kennt. Die Dinge, die tiefer blicken lassen, sind demgegenüber auch an den Touristenorten zu beobachten und ganz offensichtlich - wenn man den Verstand einschaltet: in Huangshouan, einem der Top-Naturwunder Chinas, gibt es Seilbahnen, die die Touristenmassen den Berg hinauf befördern. Die Fahrt dauert 10 Minuten, kostet 80 RMB und wir schätzen mal, daß mehr als 700-900 Höhenmeter dabei überwunden werden. Auf dem Parallelweg steigen Träger zur Fuß den Berg hoch, denn oben muß auch alles - Lebensmittel, Gasflaschen, Haushaltsutensilien -  zur Fuß über die Bergketten verteilt werden, es gibt keine Autozugänge. Die Preise für alles, was man oben konsumiert, sind horrend - und sicher nicht auf den Trägerlohn zurück zu führen. Wir haben uns etwas verdattert gefragt, warum man die Sachen nicht über die Seilbahn hoch bringt und oben mit Trägern verteilt - denn am Spätnachmittag führt keiner mehr hoch und am Morgen kaum jemand runter? Die Antwort ist einfach und eine Finanzielle: Träger sind billiger. Daraus lässt sich schliessen, daß die Träger für einen Tagesmarsch, nämlich einmal rauf und einmal runter, weniger als 50 RMB bekommen - und dafür tragen sie 45-50 Kg den Berg hoch und laufen leer zurück. Heisses Wasser, das mit dem Gas erzeugt wird, das die Träger hochschleifen, kostet dafür eben mal 5-10 RMB: pro Tasse. Wer daran verdient, ist also auch klar - der Träger ist es nicht. Derartige Gelddruckmaschienen lassen sich überall in China beobachten, wo Bedarf besteht und Konkurrenz ausgeschaltet werden kann.


5. Taxis:
Fahrer der offiziellen Taxis fahren schon mal einen überflüssigen Schlenker, haben darüber hinaus einen Berufsethos: den Gast und Touristen gut ans Ziel zu bringen - und wir hatten keine Intermezzos, haben keine schlechte Erfahrung gemacht.  Ausnahmen - wir haben sie die Taximaffia genannt - finden sich an allen top-Zielen wie dem Flughafen, dem stark frequentierten Nordausgang der Verbotenen Stadt in Peking etc: hier wird möglichst wenig oder gar nicht mit Taximeter gefahren, der Preis ist gnadenlos überhöht. Ein paar Taxis stehen dort und warten - die übrigen halten gar nicht an, was auf eine bekannte und organisierte Organisation schließen lässt. Die Einheimischen versuchen erst gar nicht, dort ein Taxi anzuhalten und laufen ein paar hundert Meter weiter, nehmen die Expressbahn oder Shuttlebusse. Mancherorts sind die offiziellen Taxis knapp, typisches Beispiel ist Hefei. Dort blüht dann der Markt mit schwarzen Taxis, wie zum Beispiel auch in den Aussenbezirken Pekings (wohin die offiziellen Taxis nicht gerne fahren, weil sie keine Rückfahrt finden können). Die Preise sind ebenfalls stark überhöht - aber nicht nur für Touristen, auch für die Einheimischen, die ihrerseits nicht gerne auf die Gesellen zurückgreifen. Dem gegenüber stehen jedoch auch viele positive Beispiele: wer in z.B. Shanghai mit dem Schnellzug vom Osten ankommt, findet zwar eine Schlange wartender Passagiere vor, aber auch einen erstklassig organisierten Service.


7. Wo essen - und was?
China hat ein System für die Restaurants und Garküchen eingerichtet, mit dem man eine Idee von der Hygiene in der Küche bekommt: Große Schilder im A1-Format, auf dem entweder ein lachendes grünes Icon mit dem Buchstaben A prangt, ein lächelndes gelbes  oder ein bedenkliches rotes C. In den meist sehr guten A-Locations konnten wir alles essen, auch Dinge, die nicht frisch gekocht waren wie kalte Nudeln oder ähnliches - ohne Folgen. Auch eine Reihe einfacher Restaurants - schon eher Garküchen ähnlich - haben das gelbe B. Wer frisch im Land ist, ist dort richtig. Wobei die gesamte MC-Fresskette in China angeblich nur ein B hat (wir haben uns den Besuch dort erspart). Man kann auch in den C-Restaurants essen, was wir regelmässig gemacht haben: Hier aber gilt die unbedingte Regel ohne Ausnahme: es muß direkt frisch zubereitet sein. Fleisch-Nudelsuppen sind das nicht, da die Brühe uU schon stunden- oder tagelang im Kessel kocht. Dumpling-Freunde sollte sich nicht an den Touristen-Dumplingrestaurants orientieren, die es immer wieder mal gibt, sondern schauen, wo die Einheimischen essen: ein volles Lokal ist meist auch ein gutes.

Fazit:

Alles in Allem ist China für uns ein angenehmes und sicheres Reiseland gewesen, insbesondere durch die freundlichen Menschen. Die Erfahrungen mit Chinesischen Touristenreisegruppen, dem Lärm und den Drängeleien in Schlangen - diese stehen auf einem anderen Blatt und haben uns das Land gleichzeitig auch wieder grundlegend verleidet.

Auch wenn das unserem westlichen Kolonialstolz nicht gefällt: China ist auf dem Weg zu einer Weltmacht der Zukunft. Die zentrale Regierung denkt über ein Jahrzehnt voraus. Geld ist im Überfluß vorhanden, so wird die Infrastruktur modern und großzügig geplant. Wird ein Problem als solches wirklich erkannt, kann auch grundlegend gehandelt werden: Aktuell laufen zum Beispiel Kampagnen gegen die Umweltverschmutzung, die auch beeindruckende Ergebnisse erzielen. Wer das Selbstverständnis und die Geschäftspolitik der neuen wohlhabenden Klasse dieses grossen Landes verstehen möchte, sollte sich eine selbstorganisierte Reise unbedingt überlegen - denn sie bietet andere Möglichkeiten zur Einsicht, als die stark serviceorientierten und daher sehr begeisternden organisierten Gruppenreisen.



Mehr zu meinen Reise- und Arbeitsberichten zu China findet sich hier und auf dem Reiseblog, in dem sich die ganze Überraschung spiegelt über ein Land, das in vieler Hinsicht so anders ist, als es unsere Medien hier vermitteln:

http://reisen.liebe-zur-erde.eu/#category5

und, ganz klar - nichts hier ist fertig. Die Wochen unterwegs waren von so vielfältigen Eindrücken, daß auf der Website mit Beschreibungen im Moment nur ein Anfang gemacht wurde.


                           



Die chinesische Mauer zur Zeit der Birnbaumblüte

 
 
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