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Die meisten Botschaften raten von Reisen nach Kaschmir ab. Wenn man Kaschmiris hört oder vor allem junge Durchreisende, scheint doch alles ganz friedlich. Was stimmt denn nun...?
Reiseerfahrungen:
Dreimal musste ich in den letzten Jahren durch das Gebiet und habe insgesamt 3 Wochen dort verbracht. Geschossen wurde vor meinen Augen nicht, Bomben sind auch nicht explodiert und entführt wurde weder ich noch ein anderer Tourist. Wo also liegen denn nun die Gefahren?
Zunächst mal ein Eindruck vom Land und Leuten, die Zusammenfassung folgt unten.
Oben: am Dal See in Srinagar. Unten: bewohnte Hausboote
Durch Kaschmir kommt man offensichtlich nicht durch, ohne über den Tisch gezogen zu werden, das gilt meiner Erfahrung nach für alle Kaschmirischen Händler im asiatischen Bereich. Die Backpackerbusse nach Leh sind voll von Geschichten geprellter Touristen, das Vorgehen ist immer das selbe, siehe dazu die entsprechende Seite. In Sicherheitsfragen jedoch, so würde man meinen, bekommt man die richtige Auskunft - oder nicht? Hier eines von vielen Beispielen:
In den Wochen vor meiner Ankunft 2006 in Srinagar war auf einen Touristenbus geschossen worden. Nur - wo? Ich frage meinen Hotelbesitzer, ein religiöser Mensch, der am Dal Gate eine kleine Pension hat.
Wir haben bereits eine Reihe von Gesprächen zum Islam gehabt und eigentlich, so würde ich sagen, vertraue ich ihm. Also, wo war das mit der Bombe? Antwort: "In Gulmarg, hier in Dal Gate bist Du sicher, kein Problem". Na gut. In Gulmarg, wo ich wegen der Höhenanpassung hingehe, frage ich nach. Die Leute sind erstaunt: "Hier? In Gulmarg? Hier passiert gar nichts. In Srinagar ist es gefährlich, dort am Dal Gate ist auch der Bus beschossen worden. Es waren allerdings vor allem Indische Touristen, also keine Sorge". Jetzt werde ich stutzig, forsche nach und probiere das aus: und tatsächlich. Egal wen man fragt, die richtige Antwort bekommt man nur dann, wenn der Auskunftgebende keinen finanziellen Schaden davon trägt. Alles andere ist erlogen. Beispiele zu hunderten. Christina, schöne deutsche Touristin, reitet am Unabhängigkeitstag 2006 auf Tanmarg zu und wird von nervösem Militär zurückgehalten: dort könne sie jetzt auf gar keinen Fall hin. Abends im Hotel nachgefragt hiess es: da war doch alles ruhig, kein Problem. Erst die Zeitungslektüre offenbart die v.a. nächtlichen Aktivitäten der letzten Tage und Wochen - gesagt hätte uns das keiner. Auch die Begründungen, mit denen Touristen in der Hauptpilgerzeit der Hindus in das angeblich sichere Pelegam gelockt werden, sind hahnebüchig.
Mein Reisebegleiter Richard hat im letzten Jahr eine 3-taegige Schikara-fahrt, Kaschmirirsche Version der Venezischen Gondel, gemacht und mir von den Vogelbeobachtungen vorgeschwärmt. Die Tour geht von dem Dalsee, bekannt durch die Hausboote, einige Flüsse, Seen und sumpfartige Gebiete entlang angeblich in Richtung zur Pakistanischen Grenze. Aber das ist, wie alles hier, nur eine interessante Reklame. Wahr ist allerdings, daß die ländlichen Regionen und ihre Bewohner, durch die die Reise führt, politisch und islamisch aufgeheizt ist. Richards Bootsleute im letzten Jahr hatten dem Rechnung getragen und ihm geraten, nicht zu sagen, daß er Amerikaner ist. Darüber hinaus haben sie sich von den Dörfern fern gehalten. Wir sind in diesem Jahr an Typen geraten, die andere Interessen hatten als die Sicherheit oder Bequemlichkeit ihrer Passagiere. Die wirklich wunderbare Tour bei herrlichem Wetter durch eine Vielzahl von ruhig strömenden Flussläufen zeigte als Kehrseite, daß man nicht einfach als Männlein-Weiblein durch die Landschaft gondeln kann, ohne Reaktionen in der Bevölkerung hervorzurufen. Was hat auch eine Frau in einer Gondel verloren, und überhaupt, diese verdorbene westliche Kultur, und der Irakkrieg und so weiter. Richard und ich haben zudem jeder für sich gänzlich andere Sicherheitssysteme beim Reisen entwickelt. Er kann alleine problemlos die Dorfjugend um sich versammeln und mit ihnen reden, ohne daß etwas passiert. Derselbe Versuch, mit mir in der Nähe, endet nicht in interessierten Gesprächen, sondern in einem Auflauf, in dem auf die fremde Touristin ohne Schleier gestarrt wird - und einem Steinwurf, der den Bootsführer an der Schläfe traf - klares Zeichen aus der Dorfbevölkerung, daß derartige "Skandale" hier nicht erwünscht sind. Als die 3-taegige Bootsfahrt dann nach 2 Tagen schon zu Ende war, sahen wir einen Grund, den vereinbarten Preis zu kürzen - und kamen in das volle Programm kaschmirischer "Geschäftstüchtigkeit", die beinahe in Handgreiflichkeiten endete und bei der beide Seiten nach der Polizei riefen - die, wäre sie gekommen, dem Recht gesprochen hätte, der das meiste Bakschisch gezahlt hätte. Ein befreundeter Mönch erzählt, daß er wochenlang täglich wegen des beantragten Passes zum obersten Beamten zitiert wurde - der Pass wurde erst ausgestellt, als er 3000 Rupien, einen Monatslohn, locker machte. Eine andere Type versuchte, über ihn Waffen in Laddakh zu verkaufen - man bedenke, einem Mönch passiert das! Ein Reisegefährte aus dem Bus von Srinagar nach Leh vom letzten Jahr entpuppt sich jetzt als oberster Polizeichef von Leh - und nutzt die Wiedersehensfreude und seine Position, um mich zu einem one-night-stand aufzufordern.
Richard hat die Erfahrungen in einen Satz geprägt, der ziemlich interessant ist. "They can`t conceptualize truth as all the other people around the world". Meint etwa, daß die Begriffsbildung wahrheitsgemäße Darstellungen oder Gedanken nicht zulässt oder hergibt. Rund um Srinagar sieht man Unmengen an neuen großen Villen, Eigentumshäusern und Neubauten entstehen. Das Geld dafür stammt aus dem illegalen Grenzhandel mit Pakistan, Drogenhandel und Bestechlichkeit. Alles in allem nicht uninteressant, wenn man bedenkt, daß Kaschmir der Zankapfel zwischen Pakistan und Indien ist.