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Teil II - im Nomadenland
Vom Tso Kar zum Tso Moriri
In diesem 2. Reiseabschnitt nach dem ersten Zwischenstop zum Einkaufen in Leh ziehen wir dem Touristentrampelpfad den Tso Kar entlang nach Rajung Karu. In der Folge überqueren wir - ab jetzt auf sehr wenig begangenen Wegen - den Barma La und ziehen hinunter in das Tal des Sumkar Lungpa, das Tal also, das Pang kreuzt. Über den Thelakung La geht es in das Tal des Zogoang, was uns an Zozogong vorbeiführt. Diese Ortsbezeichnung - ohne Häuser, versteht sich, zeichnet sich für mich dadurch aus, daß ich durch eine riesige, mehrere hundert Tiere zählende Yakherde durchlaufen muß, die bei meinem Anblick - mit Rucksack und der Ufo-Matte als Sonnenschutz über dem Kopf, unruhig werden und fast kollektiv Platz machen und Flucht ergreifen. Damit führt uns die Route vom Süden her an den Tso Moriri.
Nahezu die ganze Strecke ist Nomadengebiet. Das bedeutet Einsamkeit pur, nur an einer Stelle stehen Zelte, wenn man Rajung Karu hinter sich gelassen hat.
Tagsüber bin ich nun alleine unterwegs, bestehe meine Abenteuer mit Yakherden, Kiangherden, gerissenen Kiangs, schwarzen hundeähnlichen Tieren in einsamster Landschaft, die sich fern halten, Wolfsspuren. Herrliche Ruhe. Tagsüber brennende Sonne auf 4600 - 5000 Meter Reisehöhe bei 20-25 °C und nachts tiefer Frost. Trotz oder wegen der Berge eine Weite der Landschaft, die ich nicht für möglich gehalten hätte, die klare ungetrübte Luft ermöglicht mehrere hundert Kilometer Fernsicht, wenn keine Berge im Weg stünden.
Einsam in dem Sinne, daß keine Menschen hier sind - ja. Aber einsam im landläufigen, empfindungsmässigen Sinn - nie, im Gegenteil. Dieses Land macht mich süchtig. Man schaue die Filme an, die ich mitgebracht habe.
Tso Kar, 4600 Meter üNN
Der Tso Kar ist ein See unweit der Straße von Leh nach Manali und für Fahrzeuge zugänglich. Hier finden sich etliche Zeltrestaurants, für alle durchziehenden Treckingrouten ist es der obligate Zwischenstop, Anfang oder Ende der Route. Von Leh aus ist das auch als Tagesexkursion buchbar. Auf der anderen Seite ist Thukje, eine Wintersiedlung der Nomaden. Im Sommer sind alle in höheren Lagen mit den Herden von Pashminaziegen, Schafen und einigen Yaks, die als Lasttiere gehalten werden.
Der Tso Kar vom Westen
Es handelt sich um ein Feuchtgebiet, an dem etliche Vogelarten brüten, Kjangs sind hier heimisch und der Schwarznackenkranich gibt in einzelnen Exemplaren die Ehre.
Da der See keinen Abfluß hat, ist der Umkreis zum Teil versalzen, früher wurde hier sogar systematisch Salz gefördert.
Einen Tag gehe ich in das dem Zeltlager gegenüberliegende Dorf Thukje, der Wintersiedlung der Nomaden. Im Winter ist es hier 40 °C Minus, immerhin sind wir auf 4600 müNN. Wie die Menschen das schaffen, in diesen einfachen Häusern zu leben, ist mir ein Rätsel. Zudem setzt sich eine Form moderner Bauweise durch, die eine große Fensterfront auf einer Seite hat. Wie man den Raum warmhält ohne Holz, nur mit Tierdung und Kerosinkocher…?
Thukje von der Gompa aus gesehen
Zu jedem Haus gehört eine Einfriedung für die Tiere. Die beschriebenen großen Fenster gehen zur Seeseite nach hinten raus.
Nebengebäude der Gompa von Thukje; im Inneren wird gerade renoviert.
Abends im Zelt:
Ich habe soeben unser "Fenster" entdeckt: den oberen Teil des Zelteingangs, der nicht geschlossen wird und als Abzug dient fürs Feuer. Jetzt steckt mein Kopf heraus in die kalte Nacht, derweil der Rest im warmen Schlafsack im Zelt steht. Der Mond hat sich hinter die weißen Wolken geschoben, die ganze Landschaft des Sees ist erleuchtet von weißem Licht.
Tso Kar von Pass Kongtang La (4800müNN) aus.
Rajung Karu, 4900 m hoch, hinter dem Tso Kar gelegen:
Rajung Karu ist eine Nomaden-Sommersiedlung, natürlich ohne Gebäude. Einige Familien leben hier für einige Monate und sind den Touristenbetrieb gewöhnt, da sie an der Hauptrennstrecke vom Tso Kar nach Tso Moriri liegen. Wir werden diese morgen verlassen, ich ziehe die Einsamkeit vor.
Von meinem Lager im Zelt aus kann ich den Verkehr vor meinem Zelt beobachten. Auf der ca 12 Meter breiten abgeknabberten Grasnarbe, die entlang des Flüßchens das Tal durchzieht, traben erst 2 prächtige große Ziegen am Zelteingang flußabwärts vorbei. Etwas später trotten 2 unserer Ponys in Gegenrichtung Flußaufwärts. Später werden sie es sich anders überlegen und alle 5 die gestrige Tagestour zurück über den Paß gehen ins Nachbartal auf Suche nach Futter... - Namgang, mein Ponyführer ihnen chancenlos hinterdrein. Erst mit seinem Lunchpacket-Brot kann er ihnen später wieder habhaft werden. Vor meinem Zelt hat sich derweil neben ein paar Eseln und Hunden auch ein Yak eingefunden, ein prächtiges großes Tier, ein paar Meter entfernt. Um die Ecke haben Tibetische Nomaden ihre Zelte aufgeschlagen, das erklärt den Verkehr. Etwas weiter wird eine ganze Yakherde den Hang herunter auf die Grasnarbe getrieben, die jungen Yaks galoppieren wie junge Hunde...
Eine Nomadenfrau, die zeigt, wie man Yakwolle verarbeitet:
Ein Nomadenzelt in Rajung Karu
Die Nomaden in Laddakh ziehen nicht willkürlich, sondern zu festen Zeiten an festgelegte Orte. Die Leute wissen also immer, wer wo zu finden ist. Die braunen Zelte sind kostbarer und bestehen aus Yakwolle, allen Zelten gemeinsam ist, daß sie ca 4-5 m Grundfläche haben, auf freiem Boden stehen ohne zusätzlichen Schutz gegen den Dreck und oben ein ca 3-4 Meter langes und fast 1 Meter breites Loch haben. Hier sticht von der einen Seite her das Ofenrohr durch, von der anderen Seite her beteiligt sich die Nomadenfamilie am Wettergeschehen: Wind, Sonne Regen, Schnee - alles wird geteilt. Im Zelt wird alles gestapelt und gelagert, was man so zum Leben braucht.
Ein neugeborenes Zicklein ist in ein Schaffell eingewickelt, denn draußen schneit es und die Mutter mag wohl das Kleine nicht so. Frau Nomadin, mitte 50 und damit 10 Jahre älter als ihr Mann - und doch sind beide ganz offensichtlich glücklich miteinander -walkt mit anmutigen Bewegungen eine Ziegenhaut, in der sie Joghurt produziert.
Jedes Nomadenzelt hat gegenüber dem Eingang einen kleinen Altar mit den Bildern des Dalai Lama, manchmal des Karmapa oder eines anderen religiösen Führers, den obligaten Butterlampen und anderen Kleinigkeiten und kleinen Opfergaben wie etwas Reis, Blumen oder sonstigem. Der Ofen in der Mitte brennt meist durchgehend und trägt eine Kanne mit dem obligatorischen Buttertee. Gekocht wird inzwischen zwar meist mit Kerosin, das die Regierung den Nomaden kostenlos zur Verfügung stellt. Der Ofen brennt jedoch mit einer Art Flechte, die auf ca 5000 Meter Höhe im Überfluß wuchert:
Dabei ist das, was wie Moos aussieht, die tiefgehende Flechte, aus der gelegentlich allerlei Blumen wachsen.
Ach, zum Thema Buttertee: Jede auch nur ansatzweise geleerte Tasse wird umgehend wieder vollgeschenkt. Bis ich begreife, daß nur eines hilft, nämlich einmal austrinken und am Nachschub nur noch am Rand nippen und dann stehen lassen, bis man geht (beim Aufstehen noch austrinken, was anderes wäre sonst unhöflich!), habe ich so viel von dem Zeug getrunken, daß mir fast schlecht wird.
Der Barma La Pass
Beim Überqueren des Barma La holt mich höhenempfindlichen Menschen eine unangenehme Überraschung ein. Anders als die "Laddakh Zanskar Süd" Karte ((Edition Olizane, GPS kompatibel und noch das beste von Laddakh, was es gibt) vermeldet, ist der Barma La Pass nicht 5400 Meter hoch sondern deutlich über 5700. Macht einen erheblichen Unterschied, wenn man an der Belastungsgrenze läuft! Wer die Höhenlinien zählt, kommt dann auch drauf.
Das Tal bei Pang:
Im Tal des Sumkar Lungpa erlebe ich das erste Mal, wie ein Tal aussieht, daß von den gewaltigen Wassermassen der Frühjahrsschmelze ausgewaschen wurde: Das Wasser des bei Pang moderaten Flusses verteilt sich hier auf eine Vielzahl von Seitenarmen, die mäandernd durch das Tal ziehen. Das Tal ist ca 150 Meter tief, also weit mehr als es scheint.
Die Seitenformationen sehen zum Teil aus wie Zähne.
Auch hier treffen wir wieder auf Nomaden, die mit dem Pferd nach Pang unterwegs sind.
Und eine Begegnung der 3. Art haben wir auch - diese Viecher sind Mannshoch!
Diese Gabelung gehört zu meinen Lieblingsstellen, hier trennt sich das Tal des Sumkar Lungpa von dem Tal, das zum Thelakung La heraufführt. Auch mit Andreas muß ich diese Strecke 2009 unbedingt nochmal gehen.
Mit dieser Strecke beginnt 2007 die Sichtung von Kjangs, tibetischen Wildeseln. Jeden Tag mehrere Herden und eine Reihe von einzeln lebenden Männchen. Anders als am Tso Moriri, wo sie schon gezähmt wirken und ohne Scheu auch mal durch ein Lager laufen, halten sie hier einen deutlichen Abstand. Zudem sind sie mit Jungtieren unterwegs.
Kiangs sind zwar Esel (wie man auch deutlich hören kann), aber sie bewegen sich stolz, wild, kraftvoll, und elegant, fast wie Antilopen. Sie traben schneller, als unsere Ponys galoppieren - wir mußten an einem Tag in einem Tal unsere Herde schützen von einem übergeilen Exemplar dieser Gattung, so haben wir das herausgefunden.
Kjangs leben in Herden mit einem Patriarchen und 3- ziemlich vielen Weibchen. Die Jungtiere bleiben bei der Herde, die männlichen Jungtiere werden als Jährlinge verstoßen und rotten sich oft zu Jungmännergruppen zusammen. Wehe, man begegnet ihnen. Sie sind diesbezüglich doch Menschenkindern sehr ähnlich: neugierig, umtriebig, zu dummen Ideen aufgelegt - und bringen unsere Rösser durcheinander. Sind sie geschlechtsreif, trennen sie sich und der Kampf um die Weibchen beginnt. So kommt es wohl, daß jedes Tal seinen eigenen Kiang zu haben scheint.
Hinter dem Thelakung La überrascht uns regelmässig das Problem des "kein Wasser findens" und es werden 2007 und 2009 bitter lange Tage, obwohl wir durch grünes Gebiet ziehen.
Die Weite auf fast 5000 Meter Höhe ist unermeßlich und gefährlich: weil Entfernungen unterschätzt werden. Auch uns passiert das immer wieder, selbst bei Strecken, die wir vom Vorjahr erinnern. Und wehe, man findet dann kein Wasser....
Auf dieser ganzen Tour sehen wir 2007 weder Ansiedlungen noch Zelte - denn die eine Zeltgruppe dieses riesigen Tales zieht am 1. August von Osten her westwärts. Morgens beim packen werden wir mit größtem Erstaunen von einer riesigen Schafherde eingeholt - selbst unsere Ponys sind von dem Überfall verdattert:
Die Nomaden haben ihren ganzen Hausrat mitsamt der Oma auf die Yaks geschnallt und treiben diese das Tal entlang.
Zur Mittagszeit erreiche ich den Ort, an dem sie gelagert haben. Hier sieht es aus, als ob eine Atombombe den Umkreis verwüstet hat, so auf die Stämme niedergefressen ist alles Strauch- und Graswachstum.
2 Jahre später passiere ich dasselbe Gebiet, aber zeitlich ca 3 Wochen versetzt. Die Veränderung ist erschreckend: Großflächige Erosion, von der Vegetation sind nur noch die Wurzelstämme der Büsche übrig, auch nach Wochen des Wegzugs der Nomaden hat sich die Natur noch nicht mal ansatzweise erholt.
Näheres dazu ist auf der Seite zur Paschminaindustrie und der Umweltzerstörung nachzulesen.
Ja, und dann biegt man irgendwann um die Ecke und steht im Tal des Tso Moriri....
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